Kurz nach-denken...

...über Verzicht oder Gewinn:

Zur Zeit fällt mir auf, dass wir im Ego-Modus Illusionen lieben. Zum Beispiel die Illusion, man könnte ein konventionell erzeugtes Schnitzel billiger kaufen als im Bio-Laden und dennoch hätte es keine Konsequenzen für seinen Körper, die Umwelt oder die betroffenen Tiere, aber man hätte Geld gespart (was ja schlau ist und ein gutes Gefühl verursacht). Oder generell die Illusion, dass höher-schneller-weiter-billiger besser oder zumindest eindrucksvoller und damit zu bevorzugen wäre. Oder dass die andere Wahl (das Kleinere, Teurere, Langsamere, Sparsamere) zumindest einen Verzicht bedeutet, den man ungerne eingeht. Die Folge ist, dass wir inkonsequent leben, reden und handeln. Dadurch vernebeln wir uns selbst die Klarheit des Blickwinkels.

Wer nämlich konsequent etwas tut (zum Beispiel bin ich jetzt in einem Jahr (außer Winter) 9000 km Pedelec gefahren statt Auto, kaufe nur noch Bio ein, mache öfter an schönen Tagen frei und verschiebe die To-Do's auf später), der merkt, dass es sich nur am Anfang wie ein Verzicht anfühlt (eben z.B. Pedelec-Fahren im Regen statt Auto, Essen teurer kaufen statt billiger, Angst im Kopf statt arbeiten). Dabei ist es nur die Gewohnheit, die einem einen Verzicht vorgaukelt! Wer jetzt nicht konsequent bleibt, behält die Illusion, "vernünftige" Alternativen wären nur mit Verzicht zu erlangen. Dann wird er sein Gewissen durch geistige Nebelaktionen beruhigen (die Werbung, Smartphones und generell die Medien helfen dabei) und weiter machen wie bisher. Wer jedoch so lange die Alternative probiert, bis diese ihm zur Gewohnheit geworden ist (mindestens ein halbes Jahr), wird feststellen, dass sich der Blickwinkel aufgrund andersartiger Erfahrungen ändert. Man sieht allmählich, dass der scheinbare Verzicht ein Gewinn, der scheinbare vorherige Luxus eigentlich ein Verlust an Lebendigkeit ist.

Wenn ich heute manchmal noch im Auto fahren muss, weiß ich, was mir alles abgeht in dem Stahlkasten: Vogelgezwitscher, frische Luft, Energetisierung des ganzen Körpers, Blumenduft, warmer Regen im Gesicht, Temperaturwechsel für den Körper, der sich immer mehr daran gewöhnt und nicht mehr friert. Ok, ich lebe inzwischen nicht mehr da, wo man nicht leben kann – nämlich in der Stadt. Da ist es im Stahlkasten noch gemütlicher als außerhalb. Aber ist es nicht paradox: innen Stille, Musik und gute Luft (dank Luftfilter), alle Nachteile des Autos werden nach außen geleitet und den anderen zugemutet!? Eine technische Nebelaktion, die uns zu Vielfahrern macht, die sich gleichzeitig vom Verkehrslärm vor der eigenen Haustüre gestört fühlen.

Mit dem Pedelec hingegen gleite ich fast lautlos durch die Umwelt, keiner wird beeinträchtigt, ich nehme noch nicht einmal viel Platz weg, kann Bekannte auf dem Weg grüßen. Und ich habe von den täglichen Wegen zwischen A und B noch einen Gewinn für Körper und Geist, kann nebenbei links und rechts die Landschaft anschauen (im Auto starre ich auf die Straße und bekomme sonst nichts mit). Wenn es regnet, werden dank Barfußschuhen meine Füße nass, manchmal auch kalt (ohne dass dies unangenehm wäre, auch diese Empfindung verschwindet nach einem halben Jahr Gewöhnung), und hinterher in der Gegenreaktion richtig wohlig warm! Zudem bildet sich die Hornhaut völlig zurück, man bekommt vom weichen Regenwasser eine weiche Babyhaut an den Füßen - die Wurzeln wollen eben manchmal gewässert werden! Wer erkennt das schon, wenn er meint, seine Füße mit Schuhen immer trocken halten zu müssen? In Schuhen hatte ich oft kalte Füße, heute - mit den ständig beim Gehen massierten Fußreflexzonen - oft richtig heiße Füße zu Hause oder im Bett! Oder auch ein scheinbarer Verzicht auf "Luxus", dabei ein Gewinn: morgens im Garten aus dem Wasserschlauch kalt duschen! Was für ein Wohlgefühl und eine Munterkeit hinterher, was für ein Tatendrang und Einsgefühl mit der Natur!

Nachdem ich schon längere Zeit fleischarm und konsequent Bio esse, stelle ich fest, wie wohl ich mich in meiner Haut fühle und wie gut mir das tut- so ein Niveau an Wohlgefühl kannte ich vorher nicht, obwohl ich früher schon dachte, "mir geht es prima"! "Fleisch ist ein Stück Lebenskraft" - von wegen!

Und erst seitdem ich mich traue, Arbeit liegen zu lassen, wenn mir mein Gefühl sagt "Heute ist kein Tag zum Arbeiten" und ich die aufsteigende Angst "Das wirst Du bereuen, Du wirst etwas Wichtiges versäumen!" nicht zur Basis meiner Entscheidung mache, merke ich, dass es so etwas wie den richtigen Zeitpunkt gibt. Mein Gefühl sagt mir nämlich ebenso sicher zur richtigen Zeit: "Heute habe ich richtig Lust zu arbeiten!" oder auch "Heute könnte ich gar nicht frei machen, das passt nicht und ich habe gar keine Lust drauf." Dann gelingt die Erledigung des Anstehenden doppelt so schnell, deutlich erfolgreicher und macht nebenbei Freude, weil man sich vorher ein schönes Leben im Alltag gegönnt hat. Aber das merkt man erst bei häufigem Ausprobieren, vorher nicht. Das Vertrauen, dass es gut geht, muss sich erst durch Wiederholung aufbauen. Man ist dann viel öfter bei Sonnenschein zur Freizeit draußen und bei Regen mit Genuss zum Arbeiten drinnen. Dazu muss man sich allerdings trauen, seine (Arbeits- wie Frei-)Zeit in die eigenen Hände zu nehmen und nicht an andere zu verkaufen...

Und dann gibt es Mitmenschen, die begeistert sind von manchen meiner Ideen: "Das muss ich auch machen!" Nach einem halben Jahr schaue ich hin, was hat sich getan? Nix bei den meisten. Die Kluft zwischen Wollen und Tun ist das Entscheidende, die bewegt Welten, wenn sie geschlossen wird – Deine Welt. Entscheide Dich: Willst Du Nebel oder Klarheit?


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